Rechtsanwalt Roland Sperling: Wer muss bei der Trennung ausziehen?

Wenn sich ein Ehegatte vom anderen trennen will, stellt sich die Frage:

Wer muss ausziehen?

Und wer bleibt in der Ehewohnung?

Grundsatz: Bei einer Trennung kann kein Ehegatte den anderen zum Auszug aus der Wohnung zwingen!

Grundsätzlich hat jeder der beiden Eheleute das gleiche Recht, in der Ehewohnung zu bleiben, wie der andere Ehegatte.

Wer muss aber dann bei einer Trennung ausziehen? Fest steht: keiner der Eheleute darf den Anderen einfach “rauswerfen”. Das gilt sogar dann, wenn einer der Eheleute Alleinmieter oder Alleineigentümer der Wohnung ist. Auch in diesem Fall darf er den anderen Ehegatten nicht einfach vor die Tür setzen. Denn trotz der Trennung (oder der Trennungsabsicht) besteht die Ehe ja weiter. Und deswegen ist die Wohnung weiterhin die Ehewohnung. Jeder Ehegatte hat das Recht, in der Ehewohnung zu leben. Auch wenn er den Mietvertrag nicht unterschrieben hat oder wenn er nicht Miteigentümer ist. Die Trennung ändert daran nichts.

Soll es zu einer räum,lichen Trennung kommen, so muss notfalls also derjenige Ehegatte ausziehen, der selber der Wohnungseigentümer oder der Alleinmieter ist. Dieser Ehegatte verliert durch seinen Auszug aber natürlich nicht die Rechte an seiner Wohnung. Er kann den anderen Ehegatten nach Ablauf des Trennungsjahres bzw. nach Einreichung des Scheidungsantrags zwingen, seine Wohnung zu verlassen. Denn ab diesem Zeitpunkt verliert die Wohnung ihre Eigenschaft als “Ehewohnung”.

Beispiel 1: Der Ehemann M ist Alleineigentümer der Wohnung, in der er und seine Frau F wohnen. Wenn M sich von F trennen will, darf er seine Frau F nicht einfach aus der Wohnung werfen, obwohl er Alleineigentümer ist. Er kann F nur bitten, auszuziehen. Falls F aber nicht freiwillig auszieht, muss M wohl oder übel selber ausziehen. Obwohl die Ehewohnung ihm allein gehört. Durch einen solchen Auszug gibt er aber sein Eigentumsrecht an der Wohnung nicht etwa auf. Vielmehr bleibt er trotzdem Eigentümer. Deshalb darf F auch nur noch vorübergehend in der Wohnung bleiben, und zwar längstens bis zum Ablauf des ersten Trennungsjahres.

Frage: Wann ist ein Ehegatte eigentlich “ausgezogen”?

Oft behauptet ein Ehegatte, der wieder in die Ehewohnung zurück will, er sei ja eigentlich nie richtig ausgezogen – schließlich habe er ja noch Kleidung, Dokumente und andere persönliche Sachen in der Wohnung. Ist der Ehegatte wirklich ausgezogen, wenn er z.B. den größten Teil seiner Kleidung zurücklässt und regelmäßig zum Wäschewechsel zurückkommt? Ja, ist er! Wenn der Ehegatte sich hauptsächlich woanders aufhält und wenn er längere Zeit woanders schläft, ist er “ausgezogen”. Egal, welche Sachen von ihm sich noch in der Ehewohnung befinden.

Neuregelung der Besitzverhältnisse nach Einreichung der Scheidung:

Sobald die Scheidung eingereicht ist, können beide Eheleute eine Neuregelung verlangen.

Handelt es sich um eine Mietwohnung und ist der ausgezogene Ehegatte der Alleinmieter, so kann er den Mietvertrag kündigen.

Sind beide Eheleute gemeinsam Mieter, so können sie auch nur gemeinsam kündigen. Wenn der andere Ehegatte bei der Kündigung nicht mitwirkt, so kann der ausgezogene Ehegatte sich ans Familiengericht wenden, das den anderen Ehegatten dann zur Mitwirkung zwingt. Näheres dazu erfahren Sie im Kapitel “Gemeinsame Mietwohnung“.

Handelt es sich um Wohneigentum und sind beide Eheleute Miteigentümer, dann gilt Folgendes: Nach Ablauf des Trennungsjahres kann jeder Ehegatte verlangen, dass eine Neuregelung stattfindet. Eine solche Neuregelung kann z.B. darin bestehen, dass das Haus verkauft wird, oder dass ein Ehegatte die Eigentumshälfte des anderen Ehegatten übernimmt, oder dass das Haus an einen Dritten vermietet wird.

Ist der ausgezogene Ehegatte der Alleineigentümer, so kann er nach Ablauf des ersten Trennungsjahres dem anderen Ehegatte eine angemessene Frist zum Auszug stellen. Nach Ablauf der Frist kann er eine Räumungsklage einreichen.

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