Das Alleinentscheidungsrecht des betreuenden Elternteils:

Derjenige Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, hat das Recht zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Darunter fallen z.B. Nachhilfeunterricht, Besuche bei Freunden und Verwandten, Musikunterricht, Mitgliedschaft in einem Sportverein usw. In Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind, ist aber ein Einvernehmen beider Eltern erforderlich. Liegt dieses Einvernehmen bei einer Angelegenheit von erheblicher Bedeutung nicht vor, so muss von einem Elternteil beim Gericht beantragt werden, ihm das Alleinentscheidungsrecht zu übertragen.

An- und Abmeldung in Kindergarten und Schule:

Die An- und Abmeldung eines Kindes im Kindergarten oder der Schule ist keine Angelegenheit des täglichen Lebens. Bei gemeinsamer Sorge kann eine solche Maßnahme nur gemeinsam entschieden werden kann (VerwG Köln FamRZ 2014,55). Es gibt kein Alleinentscheidungsrecht des betreuenden Elternteils.

Alleinentscheidungsrecht bei religiösen Angelegenheiten:

Auch die Entscheidung über religiöse Maßnahmen ist keine Angelegenheit des täglichen Lebens. Ein Elternteil darf das Kind deshalb z.B. nicht ohne Zustimmung des anderen Elternteils taufen lassen (OLG Hamm FamRZ 2014, Heft 19 S. II). Stammen die Eltern aus verschiedenen Kulturkreisen und gehören sie unterschiedlichen Religionsgemeinschaften an, ist es geboten, die Kinder nicht frühzeitig nur in eine einzige Religionsgemeinschaft zu integrieren (OLG Hamm a.a.O.).

Impfen:

Impfen ist keine alltägliche Angelegenheit, sondern eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Auch bei gemeinsamer Sorge darf also nicht ein Elternteil alleine darüber entscheiden. Das gilt auch für Routineimpfungen, z.B. gegen Masern und Röteln. Dem impfwilligen Elternteil ist aber das Entscheidungsrecht zu übertragen, wenn es sich um eine von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene Impfung handelt (OLG Frankfurt 6 UF 53/23 v. 11.07.2023). Das gilt insbesondere, wenn damit dem Willen des (einsichtsfähigen) Kindes entsprochen wird. Ist das Kind alt genug, um die Bedeutung einer Impfung zu verstehen, so darf die Impfung nicht gegen den Willen des Kindes erfolgen.

Alleinentscheidungsrecht bei Krankenbehandlung:

Keine alltägliche Angelegenheit und deshalb nicht allein von einem Elternteil zu entscheiden sind Operationen. Es sei denn Notoperationen, wenn der andere Elternteil nicht rechtzeitig erreichbar ist. Dasselbe gilt für längere medikamentöse Behandlungen und Therapien.

Veröffentlichung von Kinderfotos in sozialen Netzwerken:

Für die Verbreitung von Fotos des Kindes in sozialen Medien ist die Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile erforderlich (OLG Düsseldorf NZFam 2021,839)