Jede Unterhaltsberechnung ist immer nur eine Momentaufnahme. Sie ist nur gültig, solange sich die Einkommensverhältnisse nicht ändern. Früher oder später ändern sich aber die Einkommensverhältnisse, so dass dann neu zu prüfen ist, ob sich dadurch auch der Unterhalt ändert.

I. Kindesunterhalt wird immer nach dem aktuellen Einkommen des Unterhaltspflichtigen geschuldet.

Eine Einkommenssteigerung des Unterhaltspflichtigen nach Trennung/Scheidung führt deshalb immer zu einer Erhöhung des Kindesunterhalts, ganz gleich was die Ursache für die Einkommenserhöhung ist. Im Gegensatz zum Ehegattenunterhalt richtet sich der Kindesunterhalt also nicht nach den Einkommensverhältnissen während der Ehe. Grund: die Kinder sind ja nicht vom anderen Elternteil “geschieden”. Rein rechtlich gesehen ist die Ehescheidung deshalb für den Kindesunterhalt irrelevant.

Erhöht sich das Einkommen des Unterhaltspflichtigen infolge einer Wiederverheiratung, so ist der daraus resultierende Steuervorteil aber in der Regel nur zum Teil als Einkommen anzurechnen. Denn wenn der neue Ehepartner ebenfalls berufstätig ist, gebührt ihm ein Teil der Steuererleichterung.

Beispiel: Ein Jahr nach der Trennung muss der unterhaltspflichtige Vater von der Steuerklasse Drei in die Steuerklasse Eins wechseln (Näheres hierzu im Kapitel ” Wahl und Änderung von Steuerklassen “). Da dadurch sein Nettoeinkommen sinkt, muss er fortan weniger Kindesunterhalt zahlen. Nach einiger Zeit heiratet der Vater erneut und wechselt wieder in die Steuerklasse Drei. Da sein Nettoeinkommen wieder gestiegen ist, muss er nun wieder höheren Kindesunterhalt zahlen. Wenn die neue Ehefrau ebenfalls berufstätig ist, gebührt aber auch ihr ein Teil der Steuerersparnis, die durch die Heirat eingetreten ist. Das neue unterhaltsrelevante Einkommen des Vaters kann daher nicht einfach mit seinem Nettoeinkommen nach Steuerklasse Drei gleichgesetzt werden. Vielmehr muss dieses Nettoeinkommen noch um denjenigen Betrag reduziert werden, der dem anderen Ehegatten zusteht (OLG Nürnberg FF 2015,211).
Da der Anteil jedes Ehegatten am Steuervorteil (“Splittingvorteil”) von dem Verhältnis beider Einkünfte zueinander abhängt, gestaltet sich eine genaue Berechnung aber recht schwierig. Es empfiehlt sich daher, mit Schätzungen zu arbeiten.

Auch Einkommensminderungen können sich auf die Unterhaltshöhe auswirken. Das gilt zunächst für alle unfreiwilligen Einkommensminderungen. Wer z.B. arbeitslos wird, muss natürlich weniger Unterhalt zahlen. Dasselbe gilt, wenn der Unterhaltspflichtige von der Steuerklasse Drei in die Steuerklasse Eins wechseln muss.
Bei freiwilligen Einkommensminderungen kommt es auf den Grund für die Einkommensminderung an und darauf, ob der Unterhaltspflichtige trotzdem noch zumindest einen angemessenen Kindesunterhalt leisten kann. Wenn der Unterhaltspflichtige sich z.B. selbständig macht und dadurch erst einmal weniger verdient als vorher, dann kann er den Kindesunterhalt reduzieren, wenn der Schritt in die Selbständigkeit nicht unvernünftig ist und wenn der Unterhaltspflichtige trotzdem noch wenigstens den untersten Tabellensatz zahlen kann. Diesen Mindestunterhalt muss er aber auf jeden Fall leisten.

II. Beim Ehegattenunterhalt dagegen ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob und wie sich Einkommensveränderungen beim Unterhaltspflichtigen bzw. beim Unterhaltsberechtigten nach Trennung/Scheidung auf den Unterhaltsanspruch auswirken. Maßgeblich für die Höhe des Ehegattenunterhalts sind nämlich die so genannten “ehelichen Lebensverhältnisse”. Nur diejenigen Einkünfte, die die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben, sollen für die Unterhaltsberechnung beim Ehegattenunterhalt herangezogen werden.

Deshalb gilt grundsätzlich:

1.
Einkommensveränderung vor der Scheidung wirken sich immer auf die ehelichen Lebensverhältnisse aus. Deshalb legt man bei der Berechnung des Trennungsunterhalts immer die aktuellen Einkommen zugrunde, die zum Zeitpunkt der Unterhaltsberechnung vorhanden sind. Davon gibt es zwei Ausnahmen:

1.1. Es handelt sich um eine Einkommenserhöhung, die nur infolge der Trennung eingetreten ist. Beispiel: Nach der Trennung nimmt der Ehemann eine weitaus besser bezahlte Stelle in einer anderen Stadt an, was er nachweislich nicht getan hätte, wenn die Ehe weiterhin intakt wäre.

1.2. Es handelt sich um eine unvorhersehbare, ungewöhnliche Einkommensentwicklung (sogenannter Karrieresprung).

2.
Bei Einkommensveränderungen nach der Scheidung muss man weiter wie folgt differenzieren:

2.1. Einkommensminderungen infolge Verlust des Arbeitsplatzes werden berücksichtigt, wenn der Arbeitsplatzverlust unvermeidbar war und auch ohne die Scheidung eingetreten wäre. Einkommensverluste infolge von Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit usw. führen zu einer Verringerung des Unterhaltsanspruchs, falls nicht ein Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit vorliegt (siehe “Welche Anforderungen werden an die Arbeitsplatzsuche gestellt?

2.2. Einkommensminderungen infolge einer Änderung der Steuerklasse werden berücksichtigt, wenn es sich um den nach der Trennung unvermeidlichen Wechsel von der Steuerklasse Drei in die Steuerklasse Eins handelt. Näheres hierzu im Kapitel ” Änderung der Steuerklasse.

2.3. Einkommensminderungen durch den Übergang in die Altersrente werden immer berücksichtigt.

2.4. Zur Einkommensminderung infolge der Begründung neuer Schulden siehe Unterhaltsberechnung bei Schulden.

2.5. Zur Einkommensminderung durch neue Unterhaltspflichten (neue Kinder oder neue Ehefrau) siehe Unterhalt bei neuer Ehe.

2.6. Einkommensveränderungen durch eine Lohnerhöhung: Zu berücksichtigen sind zunächst die “normalen” (tarifmäßigen) Einkommenserhöhungen sowie andere Verbesserungen im selben Arbeitsverhältnis. Solche normalen Einkommensverbesserungen, die nicht auf einem beruflichen Aufstieg beruhen, können sich erhöhend auf den Unterhalt auswirken. Das höhere Einkommen ist dagegen nicht anzurechnen z.B. bei einem Laufbahnwechsel, bei erstmaliger Aufnahme eines neuen Berufs, oder wenn die dazugehörige Ausbildung erst nach der Scheidung aufgenommen wurde, sowie bei einem unvorhersehbaren und ungewöhnlichen Karrieresprung. Das gilt allerdings nur, wenn sich solche unvorhergesehenen Einkommensverbesserungen beim Unterhaltspflichtigen ergeben. Beim Unterhaltsberechtigten dagegen führen auch solche unvorhergesehenen Einkommensverbesserungen zu einer Reduzierung seines Unterhaltsanspruchs, da sich sein Bedarf verringert.

Eine Einkommensverbesserung nach der Scheidung sind zu berücksichtigen, wenn sie zum Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war und diese Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits geprägt hat, indem die Eheleute schon vor der erwarteten Einkommenserhöhung ihren Lebenszuschnitt geändert haben (BGH FamRZ 2015,417). Das ist nicht der Fall, wenn die Einkommenserhöhung erst viele Jahre nach der Scheidung eintritt.

2.7. Kommt es bei dem Unterhaltspflichtigen zu einer Nettoeinkommenserhöhung, weil er wieder heiratet und in die Steuerklasse Drei gewechselt ist, so bleibt diese Einkommenserhöhung bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts – anders als beim Kindesunterhalt – unberücksichtigt. Der Unterhaltspflichtige muss also weiterhin nur den Unterhalt zahlen, den er auch bei einer Besteuerung nach Steuerklasse Eins zahlen müsste.

2.8. Einkommensverbesserungen aufgrund einer nach der Scheidung angefallenen Erbschaft:
Beim Unterhaltsberechtigten werden Einkommen aus nachehelichen Erbschaften angerechnet. Beim Unterhaltspflichtigen dagegen werden solche zusätzlichen Einnahmen grundsätzlich nicht angerechnet. Seltene Ausnahme: wenn bereits während der Ehe im Hinblick auf die zu erwartende Erbschaft gemeinsame finanzielle Dispositionen getroffen wurden (z.B. ein Kredit aufgenommen wurde). Das ist aber nur der Fall. wenn zum Zeitpunkt der Ehe der Erbfall bereits zeitlich absehbar war (BGH FamRZ 2015,417).

2.9. Besondere Probleme bereitet die erstmalige Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit nach der Scheidung.