Grundsatz: Scheidungsantrag nach Ablauf des Trennungsjahres

Zunächst einmal muss grundsätzlich das Trennungsjahr eingehalten werden. Näheres dazu – auch zu den Ausnahmen vom Trennungsjahr – finden Sie im Kapitel “Ist vor der Scheidung ein Trennungsjahr nötig?” Unsere Kanzlei reicht Scheidungen oft schon nach 10 Monaten Trennungszeit ein, was in der Praxis keine Probleme macht.

Taktische Überlegungen:

Unabhängig davon sollte in den folgenden Fällen überlegt werden, ob die Scheidung nicht etwas früher als eigentlich zulässig eingereicht (und dann das Verfahren bis zum Ablauf des Trennungsjahres verzögert) oder umgekehrt etwas später eingereicht wird:

1. Wenn auf den Versorgungsausgleich (Rentenausgleich) verzichtet werden soll

Im Zusammenhang mit der Scheidung wird grundsätzlich auch der Versorgungsausgleich durchgeführt, also der Ausgleich der beiderseitigen Altersversorgungen. Näheres zum Versorgungsausgleich erfahren Sie im Kapitel “Versorgungsausgleich” .

Bei kurzen Ehen, die nicht länger als drei Jahre gedauert haben, muss aber kein Versorgungsausgleich durchgeführt werden. Das hat den Vorteil, dass das Scheidungsverfahren wesentlich kürzer dauert und in der Regel nach ca. 10 Wochen beendet ist. Die drei Jahre rechnen sich vom Tag der Heirat bis zur Einreichung des Scheidungsantrags (nicht etwa nur bis zur Trennung!). Sollten in Ihrem Fall diese drei Jahre noch nicht vorbei sein, so empfiehlt es sich, den Scheidungsantrag spätestens ca. einen Monat vor Ablauf der drei Jahre zu stellen, falls kein Versorgungsausgleich durchgeführt werden soll.

Dauerte die Ehe bereits länger als drei Jahre, so kann auf den Versorgungsausgleich trotzdem verzichtet werden, wenn keiner der Eheleute durch die Ehe Nachteile für seine Altersversorgung erlitten hat, und wenn die Unterschiede in den beiderseitigen Renten nicht sehr groß sind. Da diese Unterschiede aber erfahrungsgemäß mit zunehmender Ehedauer größer werden, empfiehlt es sich auch in diesem Fall, die Scheidung möglichst früh einzureichen.

2. Wenn die Ehefrau vom neuen Lebensgefährten schwanger ist

In diesem Fall sollte man den Scheidungsantrag auf jeden Fall stellen, bevor das Kind geboren wird. Notfalls auch dann, wenn bis dahin das Trennungsjahr noch nicht vorbei ist.

Grund: Wird das Kind geboren, solange die Ehe noch nicht geschieden ist, dann gilt der Ehemann kraft Gesetzes als Vater des Kindes. In der Regel muss dann ein aufwendiger Vaterschaftsanfechtungsprozess geführt werden. Das kann man sich sparen, wenn bei Geburt des Kindes bereits ein Scheidungsverfahren anhängig ist. Denn dann reicht es aus, wenn der Ehemann und der richtige Vater beide beim Jugendamt erklären, wer der Vater ist. Dafür reicht es, dass der Scheidungsantrag bei Geburt des Kindes beim Gericht eingegangen ist.

TIP:
Ist die Ehefrau von ihrem neuen Lebensgefährten schwanger, kann der Ehemann eine so genannte Härtefallscheidung auch bei einer Trennungszeit von weniger als einem Jahr erreichen. In diesem Fall empfiehlt es sich also unbedingt, dass der Ehemann die Scheidung einreicht. Denn die Ehefrau, die den Grund für die Eilbedürftigkeit selber “verursacht” hat, kann sich nicht auf einen Härtefall berufen.

Wenn Sie uns den Scheidungsauftrag erteilen und auf die besondere Eilbedürftigkeit hinweisen, können wir den Antrag binnen weniger Stunden beim Familiengericht einreichen!

3. Wenn die neue Lebensgefährtin des Ehemanns ein Kind erwartet

Erwartet die neue Lebensgefährtin des Ehemanns ein Kind, so möchte der Ehemann oft möglichst schnell geschieden werden. Einerseits verständlich, andererseits kann es für ihn finanziell vorteilhaft sein, bis nach der Geburt zu warten. Nämlich dann, wenn er seiner Ehefrau gegenüber wahrscheinlich auch nach der Scheidung Ehegattenunterhalt zahlen muss. Wird das Kind geboren, bevor die Ehe rechtskräftig geschieden ist, so reduziert das (neue) Kind den Unterhaltsanspruch der Ehefrau. Der Ehemann kann den Unterhalt für das Kind vorab vom Einkommen abziehen, bevor der Ehegattenunterhalt ermittelt wird. Wird das Kind dagegen erst nach der Scheidung geboren, so wird der Unterhalt der Exfrau so berechnet, als würde es dieses Kind gar nicht geben.

4. Wenn der Trennungszeitpunkt am Jahresende liegt

Aus steuerlichen Gründen ist es günstiger, wenn das Trennungsdatum erst im nächsten Jahr liegt. Näheres dazu erfahren Sie im Kapitel “Steuerliche Folgen”. Statt am 15.12. eines Jahres die Scheidung einzureichen und anzugeben, dass man seit Dezember des Vorjahres getrennt lebt, ist es darum besser, noch ein paar Wochen mit der Scheidung zu warten.

5. Wenn der scheidungswillige Ehegatte mit seinem eigenen baldigen Ableben rechnet

So makaber es klingt: wer im Sterben liegt, sollte unter Umständen schnell noch die Scheidung beantragen. Denn wenn der Scheidungsantrag erst einmal beim Gericht anhängig ist, dann erlischt das Erbrecht des anderen Ehegatten.