Bestimmte Verhaltensweisen des unterhaltsberechtigten Ehegatten können zu einer Verwirkung seines Anspruchs auf Unterhalt führen. Ein verwirkter Anspruch kann nicht mehr erhoben werden.

Fälle von Verwirkung des Unterhaltsanspruchs:

  • eine schwere Straftat gegen den unterhaltspflichtigen Ehegatten oder einen nahen Angehörigen von ihm, z.B. Diebstahl, Unterschlagung, schwere Gewaltstraftat, evtl. auch bei schweren Beleidigungen, Psychoterror,
  • Prozessbetrug im Unterhaltsprozess, z.B. wahrheitswidriges Leugnen einer ehebrecherischen Beziehung,
  • wahrheitswidriges Ableugnen von Einkünften (FF 2018,321),
  • Verschwendung,
  • Anschwärzen beim Arbeitgeber,
  • Anschwärzen beim Finanzamt oder geschäftliche Schädigung,
  • falsche Anschuldigungen bei Behörden und falschen Strafanzeigen gegen den Unterhaltspflichtigen. Auch wahrheitsgemäße Strafanzeigen können zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führen, weil eine solche Strafanzeige gegen die Solidaritätspflicht der Eheleute verstößt. Das kann z.B. bei einer Anzeige wegen Schwarzarbeit der Fall sein. Das gilt natürlich nicht, wenn die Strafanzeige den ehelichen Lebensbereich berührt (z.B. eine Strafanzeige wegen Körperverletzung oder wegen Entziehung von der Unterhaltspflicht),
    – mutwillige Aufgabe der Berufstätigkeit,
    – bei böswilligem Verlassen unter besonders erniedrigenden Umständen. Ein “normales” Fremdgehen reicht nur dann aus, wenn es sich um einen völlig einseitigen Ausbruch aus einer bis dahin harmonischen Ehe handelt. Oft kann der betreffende Ehegatte aber einwenden, dass die Ehe bereits kriselte.
    – bei einem ehebrecherischen Verhältnis während des Zusammenlebens,
    – bei Unterschieben eines Kindes (OLG Hamm NZFam 2015,965),
    – evtl. bei längerem eheähnliches Zusammenleben mit einem neuen Partner (mind. 2 Jahre). Lesen Sie hierzu unser Kapitel “Welche Folgen hat die Beziehung zu einem neuen Partner?

Liegt ein solcher Verwirkungstatbestand vor, so kann der Unterhaltsanspruch sogar bei einer sehr langen Ehezeit verwirkt sein (OLG Hamm 8 UF 41/14).

Der unterhaltspflichtige Ehegatte muss im Streitfall alle Tatsachen, die seiner Ansicht nach zur Verwirkung führen, nachweisen.

Wichtige Einschränkungen:

Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs unterliegt folgenden Grenzen:

1. Es muss sich um ein einseitiges Fehlverhalten handeln. Hat der unterhaltspflichtige seinerseits ein Fehlverhalten an den Tag gelegt, kann er den anderen Ehegatten keine Verwirkung entgegenhalten. Die Folge dieser Regelung ist: beruft sich ein Ehegatte vor Gericht darauf, der Unterhaltsanspruch des anderen Ehegatten sei verwirkt, so erhebt meist der andere Ehegatte auch irgendwelche schwerwiegenden Beschuldigungen, um zu zeigen, dass seine Verfehlung nicht einseitig ist. Es wird dann oft “schmutzige Wäsche gewaschen” und es kommt nichts dabei heraus. Wer eine Verwirkung des Unterhalts in Spiel bringt, sollte sich daher sicher sein, dass es sich um ein schwerwiegendes Fehlverhalten handelt und dass ihm selbst kein gleich schwerer Vorwurf gemacht werden kann.

2. Betreut der Unterhaltsberechtigte eines oder mehrere Kinder unter drei Jahren, so dass der Unterhaltsberechtigte keiner Erwerbstätigkeit nachgehen muss, kommt aber i.d.R. allenfalls eine teilweise Kürzung des Unterhalts in Betracht, und zwar bis auf einen Betrag von 880,- € (Mindestbedarf). Liegt der Unterhaltsanspruch also z.B. “eigentlich” bei 1.000,- €, so kann er auf 880,- € gekürzt werden. Liegt der Unterhaltsanspruch dagegen ohnehin unterhalb von 880,- Euro, so kommt bei der Betreuung gemeinsamer Kinder regelmäßig keine Kürzung in Betracht. Grund: Das Fehlverhalten des Ehegatten soll sich nicht zum Nachteil der Kinder auswirken. Das wäre aber der Fall, wenn der Unterhaltsberechtigte wegen einer Kürzung des Unterhalts trotz der Betreuung kleiner gemeinsamer Kinder arbeiten müsste.