Umgangsrecht bei entgegenstehendem Kindeswillen (Umgangsverweigerung)

In Umgangsrechtsstreitigkeiten wird von dem betreuenden Eternteil oft vorgebracht, dass das Kind den anderen Elternteil gar nicht sehen und keinen Umgang mit ihm wolle. Diese Ablehnung durch das Kind kann vorgetäuscht sein, in vielen Fällen äußern sich die Kinder aber wirklich ablehnend zu Umgangskontakten. Es fragt sich, wie mit solchen Fällen umzugehen ist.

Einerseits gilt: Lehnt das Kind den Umgang mit dem anderen Elternteil ab, so führt dies nicht zwingend zu einer Versagung des Umgangsrechts. Andererseits darf man den Kindeswillen auch nicht einfach als unbeachtlich abtun oder pauschal unterstellen, der betreuende Elternteil habe das Kind “manipuliert”.

Es ist in solchen Fällen vielmehr zu prüfen, was die Gründe für die ablehende Haltung des Kindes sind. Das können zum einen schlechte Erfahrungen mit dem betreffenden Elternteil sein. Hier gibt es natürlich enegroße Spannbreite von Möglichkeiten. Wenn das Kind z.B. Gewalt durch diesen Elternteil erfahren hat, oder wenn das Kind miterlebt hat, wie dieser Elternteil Gewalt gegen den anderen Elternteil ausübte, so ist die ablehnende Haltung verständlich. Am anderen Ende der Skala stehen Vorwüfe des Kindes, der Vater sei “immer so streng”. “Strenge” eines Elterteils ist für sich genommen noch kein Grund, den Umgang auszuschließen. Allerdings muss man in solchen Fällen weiter prüfen, ob die Ablehnung des Kindes eine autonome Entscheidung des Kindes ist – egal ob diese Entscheidung nachvollziehbar ist oder nicht -, oder ob die Ablehnung vielleicht nur aus Loyalität zum betreuenden Elternteil erfolgt, welcher das Kind vielleicht beeinflusst hat. Gerade in letzteren Fällen ist es wichtig, dass ein Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil möglichst doch stattfindet, damit einer Entfremdung entgegengewirkt werden kann. Deshalb gibt es z.B. die Möglichkeit, den Umgang erst einmal unter Vermittlung des Jugendamtes stattfinden zu lassen, evtl. an einem “neutralen” Ort und im Beisein einer Beamtin des Jugendamtes. Vereitelt der sorgeberechtigte Elternteil das Umgangsrecht, macht er sich u.U. wegen Kindesentziehung strafbar (§ 235 Strafgesetzbuch).

Umgekehrt darf man ein Kind aber nicht zum Umgang zwingen, wenn das Kind dem Umgang tatsächlich ablehnend gegenübersteht. Denn dies würde eine Missachtung des Kindeswillens und damit letztlich eine Gefährdung des Kindeswohls bedeuten. In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht unbedingt darauf an, ob der Kindeswille – tatsächlich oder vermeintlich – “manipuliert” ist. Denn auch ein manipulierter Kindeswille hat aus der Sicht des Kind Anspruch auf Berücksichtigung und darf nicht einfach “gebrochen” werden.

Die Gründe für die Ablehnung müssen deshalb im Einzelfall genau erforscht werden, wozu in der Regel ein kinderpsychologisches Gutachten erforderlich ist. Wenn der Kindeswille autonom, intensiv und stabil ist, wäre ein Übergehen des Kindeswillens in aller Regel kindeswohlgefährdend. Ab einem Alter von ca. 11 Jahren kommt die Anordnung eines Umgangs gegen den gefestigten Willen des Kindes nicht mehr in Betracht (OLG Schleswig NZFam 2016,29; OLG Stuttgart NZFam 2016,43).

Das “PAS-Syndrom”:

Insbesondere betroffene Väter berufen sich oft auf das Vorliegen eines So genannten “PAS-Syndroms” (“Eltern-Entfremdungs-Syndrom”). Die Theorie, in  Fällen von Umgangsverweigerung durch das Kind liege immer eine einseitige Beeinflussung durch die Mutter vor und der Umgang müsse deshalb notfalls auch gegen den Willen erzwungen werden, hat sich mittlerweile als haltlos und unwissenschaftlich erweisen. Dennoch wird von manchen Anwälten und Richtern immer noch auf diese Theorie Bezug genommen.

Bitte lesen Sie hierzu den informativen Artikel “PAS-Streit gefährdet Kindeswohl” .

Derjenige Elternteil, bei dem das Kind lebt, ist verpflichtet, das Umgangsrecht zu fördern und auf das Kind Einfluss auszuüben, damit es das Umgangsrecht wahrnimmt. (“Verpflichtung zum Wohlverhalten”).