Kann die “Vorverlegung” des Trennungsdatums zu steuerlichen Nachteilen führen?
Nach dem Gesetz kann die Scheidung grundsätzlich erst nach Ablauf des ersten Trennungsjahres eingereicht werden. Eheleute, die noch kein Jahr getrennt leben, sich aber trotzdem so schnell wie möglich scheiden lassen wollen, geben manchmal ein (falsches) früheres Trennungsdatum an.
Beispiel: Die Eheleute haben sich im Oktober 2024 getrennt. Nach dem Gesetz dürfte die Scheidung also erst im Oktober 2025 eingereicht werden, also nach Ablauf des Trennungsjahres. Weil die Eheleute aber nicht so lange warten wollen, geben sie übereinstimmend an, bereits seit Februar 2024 getrennt zu leben. So können Sie die Scheidung bereits im Februar 2025 einreichen.
Möglich ist dieses Vorgehen, weil das Gericht das Trennungsdatum nicht nachprüft, wenn beide Eheleute übereinstimmende Aussagen dazu machen. Es muss also weder eine Ummeldung noch ein neuer Mietvertrag oder irgend ein anderer Nachweis vorgelegt werden. Da unter bestimmten Voraussetzungen selbst eine Trennung innerhalb der Ehewohnung für das Trennungsjahr ausreicht, kann den Eheleuten auch kaum das Gegenteil bewiesen werden.
Aber Vorsicht: Wird das Trennungsdatum über den Jahreswechsel hinaus zurückdatiert, kann dies zu steuerlichen Nachteilen führen!
Beispiel: Die Eheleute haben sich im Februar 2025 getrennt. Um nicht bis Februar 2026 mit dem Scheidungsantrag warten zu müssen, geben sie den Februar 2024 als Trennungsdatum an.
Dies kann aber zu erheblichen Steuernachteilen führen! Denn eine gemeinsame steuerliche Veranlagung – die bei Arbeitnehmern regelmäßig der Steuerklassenkombination 3/5 entspricht – ist nur noch für dasjenige Kalenderjahr möglich, in dem die Trennung erfolgte. Was viele nicht wissen (nach unserer Erfahrung auch manche Steuerberater nicht): Ab dem nächsten 1. Januar, der auf die Trennung folgt, müssen sich beide Eheleute einzeln veranlagen lassen, bei Arbeitnehmern also die Steuerklasse 1 nehmen! Wird also z.B. als Trennungsdatum irgendein Tag im Jahre 2024 angegeben, so tritt automatisch zum 1.1.2025 die Steueränderung in Kraft. Ob die Eheleute dann überhaupt schon ein Jahr getrennt leben, ob die Scheidung schon eingereicht wurde, ja sogar ob sich die Eheleute überhaupt scheiden lassen oder einfach nur getrennt leben wollen, spielt alles gar keine Rolle.
In unserem Beispielsfall haben sich die Eheleute im Februar 2025 getrennt. Der Wechsel der Steuerklassen müsste also erst zum 1.1.2026 erfolgen. Gegen sie nun an, seit Februar 2024 getrennt zu leben, werden die Steuerklassen schon zum 1.1.2025 geändert. Die Eheleute verlieren also den Steuervorteil für ein volles Kalenderjahr.
Die Frage ist freilich: Erfährt das Finanzamt überhaupt, welches Trennnungsdatum beim Familiengericht angegeben wurde? Nicht unbedingt. Das Gericht erteilt dem Finanzamt nämlich von sich aus keine Auskunft, und die Finanzämter fragen grundsätzlich auch nicht beim Familiengericht nach. Trotzdem kann es vorkommen, dass das Finanzamt von dem Trick erfährt, z.B. wenn aus anderen Gründen ohnehin eine Steuerprüfung stattfindet. Dann droht natürlich eine entsprechende Steuernachforderung. Steuerlich maßgebend ist zwar immer der wirkliche Sachverhalt. Das Finanzamt ist also nicht zwingend daran gebunden, was die Eheleute im Scheidungsverfahren angegeben haben. Allerdings sollte man den wirklichen (späteren) Trennungszeitpunkt gegenüber dem Finanzamt notfalls auch nachweisen können. Das wird aber schwierig, wenn man laut Gerichtsprotokoll im Scheidungstermin etwas anderes angegeben hat.
Kann die günstigere Steuerklasse durch ein kurzes Zusammenleben im Trennungsjahr gerettet werden?
Lesen Sie hierzu unseren Artikel: “Versöhnungsversuch im Trennungsjahr”