Zur Höhe des Kindesunterhalts, wenn das Kind im Ausland lebt.

Lebt ein unterhaltsberechtigtes Kind im Ausland, so hat das Kind (bzw. der das Kind vertretende Elternteil) die Wahl: Entweder kann Unterhalt nach deutschem Recht gefordert werden, oder nach dem Recht des Landes, in dem das Kind lebt.

Beispiel:
Das minderjährige Kind lebt mit seiner Mutter in Österreich, der unterhaltspflichtige Vater in Deutschland. Der Kindesunterhalt kann sowohl vor einem deutschen als auch vor einem österreichischen Gericht eingeklagt werden.

Besteht bereits ein Unterhaltstitel, insbesondere also ein Gerichtsbeschluss über den Kindesunterhalt, so gilt dieser Beschluss auch in Deutschland. Er kann grundsätzlich nur von einem Gericht desselben Landes geändert werden, dessen Gericht den Beschluss erlassen hat.

Beispiel:
Für ein minderjährige Kind, das in Österreich lebt, gibt es einen Unterhaltsbeschluss eines österreichischem Gerichts. Dieser Beschluss kann nur von einem Gericht in Österreich geändert werden. Es gilt dann natürlich das Recht von Österreich.

Wird der Kindesunterhalt in Deutschland geltend gemacht, weil der unterhaltspflichtige Elternteil in Deutschland lebt, so gilt deutsches Unterhaltsrecht. Der Unterhalt wird dann grundsätzlich ganz normal aufgrund der Einstufung in die Düsseldorfer Tabelle ermittelt. Allerdings kann eine Verringerung des zu zahlenden Kindesunterhalts in Betracht kommen. Vor allem dann, wenn die Einkommensverhältnisse in dem Land, in dem das Kind lebt, wesentlich niedriger sind als in Deutschland.

Beispiel:

Das unterhaltsberechtigte Kind lebt in einem Land mit einem gegenüber Deutschland sehr viel niedrigerem Einkommensniveau. Der in Deutschland lebende Vater müsste aufgrund seines Einkommens monatlich 581,- Euro Kindesunterhalt zahlen. Das durchschnittliche Monatseinkommen in diesem Land liegt indes nur bei 400,- Euro. Der Kindesunterhalt scheint also – gemessen an den dortigen Lebensbedingungen – viel zu hoch zu sein.

Lebt das unterhaltsberechtigte Kind also in einem Land, dessen Lebenshaltungskosten sehr viel niedriger sind als in Deutschland, so kann der Unterhaltsbetrag nach deutschem Recht reduziert werden.

Lebt das Kind dagegen umgekehrt in einem Land mit höheren Lebenshaltungskosten (z.B. in der Schweiz), so kann sich der Unterhalt nicht erhöhen. Denn die maximale Unterhaltshöhe hängt insoweit vom Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils ab. Ausnahme: Der Mindestunterhalt – also derjenige Betrag, der mindestens als Kindesunterhalt geleistet werden muss – kann sich erhöhen, wenn die Lebenshaltungskosten im Aufenthaltsland des Kindes höher sind als in Deutschland.

Wenn deutsches Recht gilt: wie wird der Unterhalt umgerechnet?

1. Innerhalb der Europäischen Union können zur Unterhaltsbemessung die vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) ermittelten Vergleichbaren Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte” herangezogen werden (BGH FF 2014,458).

2. Bei Ländern außerhalb der Europäischen Union kann auf die Ländergruppeneinteilung des Bundesfinanzministeriums zurückgegriffen werden.

Demnach findet grundsätzlich keine Reduzierung statt, wenn der Unterhaltsberechtigte in einem der folgenden Staaten lebt:
Andorra, Australien, Bermuda, Brunei, Finnland, Hongkong, Ile of Man, Israel, Japan, Kaimaninseln, Kanada, Kanalinseln, Katar, Kuweit, Liechtenstein, Macao, Monaco, Neukaledonien, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Palästina, San Marino, Schweiz, Singapur, VAE, USA.

In allen sonstigen Ländern ist eine Herabsetzung des Unterhalts um 25%, 50% oder sogar 75% möglich (Siehe FamRB 2014,37).

Die Ländergruppeneinteilung des Bundesfinanzministeriums können Sie hier herunterladen.

3. Allerdings können diese Werte immer nur ein Anhaltspunkt für die Neuberechnung des Unterhalts für ein unterhaltsberechtigtes Kind im Ausland sein. Die Unterhatsreduzierung darf nicht schematisch erfolgen. Denn maßgeblich sind immer die konkreten Lebensumstände des Kindes in dem betreffenden Land (OLG Stuttgart NZFam 2014,264). Während in Deutschland abgesehen von den Wohnkosten die Lebenshaltungskosten (Essen, Energie, Kleidung usw. ) überall mehr oder weniger gleich hoch sind, gibt es in anderen Ländern oft sehr große Prerisunterschiede zwischen den Großstädten und dem “platten Land”. So sind z.B. in türkischen Großstädten die Lebenshaltungskosten ähnlich hoch (wenn nicht höher) als in Deutschland. Die Lebenshaltungskosten auf dem Land sind aber deutlich geringer sind. Dasselbe gilt für viele andere Länder, in denen der Lebensstandard-Unterschied zwischen Stadt und Land und zwischen einzelnen Regionen wesentlich stärker ist als in Deutschland, also z.B. auch für Russland.

Das führt zu dem Ergebnis, dass in der Praxis der Kindesunterhalt meist nicht im selben Maße reduziert wird, wie die Kaufpreisparitäten abweichen. Sind die Lebenshaltungskosten im Aufenthaltsland des Kindes z.B,. 20% geringer als in Deutschland, so wird der Kindesunterhalt nicht um 20% gekürzt, sondern z.B. um 13% oder 14%. Ausgangsbetrag für die Kürzung ist der Tabellenbetrag, nicht der um das halbe Kindergeld gekürzte Zahlbetrag.

Beispiel: Der Vater müsste nach Düsseldofer Tabelle monatlich 607,- Euro Kindesunterhalt leisten. Da die Mutter das Kindergeld bezieht, kann der Vater das halbe Kindergeld abziehen und zahlt nur 482,- Euro. Wenn das Kind nun ins Ausland zieht und deshalb eine Reduzierung von z.B. 20% vorzunehmen ist, so rechnet man: 607,- Euro x 80% – 125,- Euro = 361,- Euro.