Welcher Elternteil schuldet einem volljährigen Kind Unterhalt? Und wie viel?
Das Wichtigste vorab:
Ab dem 18. Geburtstag des Kindes sind grundsätzlich immer beide Eltern barunterhaltspflichtig. Das gilt auch für denjenigen Elternteil, bei dem das Kind wohnt.
Der Anteil jedes Elternteils am Gesamtunterhalt des Kindes richtet sich nach dem Einkommen des jeweiligen Elternteils. Der Anteil eines Elternteils am Kindesunterhalt kann deshalb nur berechnet werden, wenn auch das Einkommen des anderen Elternteils bekannt ist.
Um den Unterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes berechnen zu können, muss man immer das Einkommen beider Eltern kennen. Das hat zwei Gründe:
1. Ab der Volljährigkeit des Kindes richtet sich sein Bedarf nach dem zusammenaddierten Nettoeinkommen beider Eltern. Dadurch erhöht sich der Unterhaltsbedarf des Kindes.
Beispiel: Der 17-jährige Sohn lebt bei seiner Mutter. Der Vater hat ein anrechenbares Nettoeinkommen von 2.500,- € und schuldet nach Stufe 3 der Düsseldorfer Tabelle einen Kindesunterhalt von 647,- € ./. halbes Kindergeld = 522.- €. Auf das Einkommen der Mutter kommt es nicht an.
Nun wird der Sohn volljährig. Sein Unterhaltsbedarf richtet sich nun nach dem zusammenaddierten Nettoeinkommen beider Eltern. Hat die Mutter ein Nettoeinkommen von z.B. 1.800,- €, so beträgt das Gesamtnettoeinkommen beider Eltern 4.300,- €. Nach der Düsseldorfer Tabelle beträgt der Unterhaltsbedarf des Kindes daher 855,- €. Von diesem Unterhaltsbedarf ist nun das gesamte Kindergeld abzuziehen (also nicht mehr nur – wie beim minderjährigen Kind – das halbe Kindergeld). Das Kindergeld ist an das Kind auszuzahlen und ist Einkommen des Kindes. Der noch offene Bedarf des Kindes beträgt also 855,- € ./. 250,- € = 605,- €.
2. Das Einkommen beider Eltern muss zweitens deshalb bekannt sein, weil für diesen Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes grundsätzlich beide Eltern haften.
Das heißt, mit Eintritt der Volljährigkeit haben grundsätzlich beide Eltern Unterhalt in Geld zu zahlen. Das gilt auch für denjenigen Elternteil, bei dem das Kind lebt. Wichtig: Das gilt auch für junge Volljährige, die noch zur Schule gehen und im Haushalt eines Elternteils leben. Auch für sie sind beide Eltern barunterhaltspflichtig.
Weil dies sehr oft – auch von Anwälten – übersehen wird, sei es noch einmal ausdrücklich klargestellt:
Bei volljährigen Kindern sind grundsätzlich immer beide Eltern barunterhaltspflichtig. Das gilt auch dann, wenn das Kind zwischen 18 und 21 Jahre alt ist, noch bei einem Elternteil lebt und sich noch in der Schul- oder Berufsausbildung befindet. Beispiel: ein Gymnasiast lebt bei seiner Mutter. Sobald dieser Gymnasiast 18 Jahre alt wird, muss sich auch die Mutter am Barunterhalt beteiligen. (Eine ganz andere Frage ist, ob die Mutter die Naturalleistungen, die sie weiterhin erbringt, mit ihrem Unterhalt verrechnen kann (siehe dazu unten Punkt 4). Das kann dem unterhaltspflichtigen Vater aber egal sein, denn dies hat auf die Höhe des von ihm zu zahlenden Unterhalts keinen Einfluss).
Da beide Eltern barunterhaltspflichtig sind, stellt sich die Frage, wie der Unterhaltsanspruch des Kindes auf beide Elternteile aufzuteilen ist. Keineswegs ist es etwa so, dass jeder Elternteil automatisch die Hälfte schuldet. Das wäre nur der Fall, wenn beide Eltern zufällig gleich viel netto verdienen würden. Vielmehr haftet jeder Elternteil anteilmäßig in Höhe seines unterhaltsrelevanten Einkommens abzüglich des Selbstbehalts. Das bedeutet, dass derjenige Elternteil, der ein höheres Nettoeinkommen hat als der andere Elternteil, einen größeren Teil des Kindesunterhalts zahlen muss als der andere Elternteil.
Wichtig: Die Unterhaltspflicht eines Elternteils kann deshalb nur dann ausgerechnet werden, wenn auch das Einkommen des anderen Elternteils bekannt ist. Das volljährige Kind, das Unterhalt verlangt, ist verpflichtet, dem einen Elternteil über das Einkommen des anderen Elternteils Auskunft zu geben.
Der eine Elternteil kann aber auch unmittelbar vom anderen Elternteil Auskunft über dessen Einkommensverhältnisse verlangen (OLG Hamm FamRB 2013,175). Da zu den Einkommensverhältnissen auch ein etwaiger Unterhaltsanspruch gegen den neuen Ehepartner des Elternteils zählt, kann also auch Auskunft über dessen Einkommen verlangt werden.
Das Kindergeld ist auf den Unterhaltsbedarf des Kindes in voller Höhe anzurechnen. In Höhe des Kindergelds verringert sich also der Unterhaltsbedarf. Natürlich muss im Gegenzug das Kindergeld dann auch in voller Höhe an das Kind ausgezahlt werden.
Beispiel:
Das volljährige Kind geht noch zur Schule. Der Unterhaltsanspruch wird nach der Düsseldorfer Tabelle berechnet, und zwar nach dem zusammenaddierten Nettoeinkommen beider Elternteile. Angenommen, der Vater verdient netto 2.500,- €, die Mutter netto 2.000,- €. Zusammen sind dies 4.500,- €, so dass nach der Düsseldorfer Tabelle ein Unterhalt von 905,- € zu zahlen ist.
Nach Abzug des vollen Kindergelds von 250,- Euro, das ja als Einkommen des Kindes gilt, besteht noch ein offener Unterhaltsbedarf des Kindes von 655,- €.
Dieser noch offene Betrag wird auf beide Elternteile gemäß folgender Rechnung aufgeteilt: Zunächst werden für beide Elternteile ihre Einsatzbeträge errechnet, indem man von ihrem Nettoeinkommen den angemessenen Selbstbehalt abzieht. Dieser angemessene Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kinderen liegt bei 1.650,- €. Dies ergibt folgende Rechenwerte: für den Vater: 2.500,- € ./. 1.650,- € = 850,- €, für die Mutter: 2.000,- € ./. 1.650,- € = 350,- €. Die Eltern haften nun für den noch offenen Unterhalt i.H.v. 655,- € im Verhältnis 850 zu 350. In eine mathematische Formel gebracht: der Vater schuldet 850/1200 x 655,- € = 464,- €, die Mutter schuldet 350/1200 x 655,- € =191,- €.
Für die Berechnung des Volljährigenunterhalts sind außerdem folgende Punkte wichtig:
1. Informationen zur Berechnung der Unterhaltspflicht, wenn sowohl minderjährige als auch volljährige Kinder vorhanden sind, finden Sie auf unserer Seite “Zusammentreffen von volljährigen und minderjährigen Kindern.“
2. Bei der Berechnung der Quoten der beiden Elternteile sind – wie im Beispielsfall geschehen – die Selbstbehaltssätze vom Nettoeinkommen abzuziehen. Der Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern liegt grundsätzlich bei 1.650,- €.
3. Lebt einer der Eltern mit einem neuen Partner zusammen, so kann dies folgende Auswirkungen auf die Berechnung und Aufteilung des Kindesunterhalts haben:
Erstens gehört zum Einkommen des jeweiligen Elternteils gehört auch ein etwaiger Anspruch auf Ehegattenunterhalt gegen den neuen Ehegatten des Elternteils. allerdings nur, soweit es sich um einen Anspruch auf eine Geldsumme handelt. Bei bestehender Ehe hat ein Ehegatte gegen den besser verdienenden anderen Ehegatten aber nur einen Taschengeldanspruch i.H.v. 5% des Einkommens. Leben die Eheleute getrennt oder sind sie geschieden, so besteht ein Anspruch auf Ehegattenunterhalt.
Zweitens verringert sich infolge des Zusammenlebens mit einem neuen Partner – auch ohne Ehe – der Selbstbehalt um 10%, wenn der neue Partner ausreichend eigenes Einkommen hat. Es wird dann bei diesem Elternteil also nicht mehr mit einem Selbstbehalt von 1.650,- Euro gerechnet, sondern nur mit einem Selbstbehalt von 1.485,- Euro.
4. Jeder Elternteil schuldet maximal denjenigen Betrag, der sich ergeben würde, wenn er alleine Unterhalt nach seinem Einkommen zahlen müsste. Die Addition der Nettoeinkommen beider Elternteile kann also nie dazu führen, dass ein Elternteil mehr zahlen muss, als er ohne diese Addition zahlen müsste. In den meisten Fällen führt die beiderseitige Unterhaltspflicht der Eltern dazu, dass der besser verdienende Elternteil weniger zahlen muss.
Beispiel: Das volljährige Kind hätte nach dem zusammenaddierten Einkommen beider Eltern von 3.500,- Euro (2.100,- Euro Vater + 1.400,- Euro Mutter) nach Anrechnung des Kindergelds eigentlich einen Unterhaltsbedarf von 473,- Euro. Die Mutter kann aber nichts zahlen, weil sie nur ein Einkommen von weniger als 1.650,- Euro (Selbstbehalt) hat. Scheinbar bleibt damit der gesamte Unterhalt von 473,- beim Vater “hängen”. Aber: wenn der Vater allein unterhaltspflichtig wäre, müsste er aufgrund seines Einkommens von 2.100,- Euro nach der Düsseldorfer Tabelle nur 660,- € ./. volles Kindergeld = 410,- € zahlen. Durch das Zusammenaddieren beider Elterneinkünfte darf es nun nicht dazu kommen, dass der mehr zahlen muss. Es ist also nicht etwa so, dass der Vater einen Unterhalt von 473,- Euro allein zahlen müsste. Er muss vielmehr maximal “seinen” Betrag nach der Tabelle zahlen, also 410,- €.
5. Wohnt ein Kind noch bei einem Elternteil und leistet dieser Elternteil dem Kind auch Naturalunterhalt (also Verpflegung, Wohnungsgewährung, Kleidung usw.). kann dieser Elternteil den Wert der Leistungen auf seinen Anteil am Kindesunterhalt anrechnen.
Wohnt das Kind z.B. noch bei der Mutter und müsste die Mutter nach der oben dargestellten Berechnungsmethode 300,- € zahlen, und haben die Leistungen der Mutter wie z.B. Wohnungsgewährung und Verpflegung einen Gegenwert von z.B. 220,- €, so schuldet die Mutter nur noch 80,- € Barunterhalt. Auf die Höhe des vom Vater zu zahlenden Unterhaltsanteils hat dies keinen Einfluss.