Ist ein Unterhaltspflichtiger mehreren Kindern unterhaltspflichtig und wird ein Kind volljährig, so stellt sich die Frage, ob sich an der Unterhaltsberechnung etwas ändert. Besonders häufig stellt sich diese Frage, wenn das volljährige Kind und das minderjährige Kind aus verschiedenen Beziehungen stammen.
Beispiel: EM ist Vater eines 17-jährigen Kindes aus erster Ehe und eines jüngeren Kindes aus seiner zweiten Beziehung. Das ältere Kind wird volljährig. Ändert sich etwas an der Unterhaltspflicht?
Mit Eintritt der Volljährigkeit ändert sich in der Regel die Höhe des Unterhaltsanspruchs für das volljährige Kind. Einerseits steigt der Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes nach der Düsseldorfer Tabelle. Andererseits sind ab der Volljährigkeit grundsätzlich beide Elternteile barunterhaltspflichtig, haben sich also den höheren Gesamtunterhalt zu teilen.
Es ändert sich aber insoweit nichts, als dass weiterhin Unterhalt für jedes Kind nach dessen Verhältnissen gezahlt werden muss. Grundsätzlich wird also der Unterhaltsanspruch jedes Kindes isoliert berechnet, so als würde es das andere Kind nicht geben.
Einige Gerichte machen hiervon eine Ausnahme, wenn sowohl für ein volljähriges Kind als auch für ein minderjähriges Kind Unterhalt zu zahlen ist. In diesem Fall soll bei der Berechnung des Volljährigenunterhalts der Unterhalt des minderjährigen Kindes vorab vom Einkommen abzuziehen sein (z.B. Hammer Leitlinien Ziffer 13.3.2).
Wie sieht es aber im Mangelfall aus, also wenn nicht genug Geld vorhanden ist, um alle Unterhaltspflichten zahlen zu können?
Beispiel: Der Vater hat ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500,- Euro. Er ist einem 18-jährigen Kind aus erster Ehe und einem 6-jährigen Kind aus einer neuen Beziehung unterhaltspflichtig. Die Mutter des 18-jährigen Kindes hat ein Nettoeinkommen von 1.200,- Euro.
Bei einem Einkommen von 1.500,- Euro beträgt die Unterhaltspflicht gegenüber dem 6-jährigen Kind laut Düsseldorfer Tabelle 291,- Euro monatlich.
Der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes errechnet sich wie folgt:
Gesamteinkommen beider Eltern: 2.750,- Euro. Unterhalt nach Düsseldorfer Tabelle: 304,- Euro. Diese 304,- Euro werden wie folgt auf beide Eltern aufgeteilt: Vater 243,- Euro, Mutter 61,- Euro (zur Berechnung der Anteile lesen Sie bitte das Kapitel “Wer schuldet einem volljährigen Kind Unterhalt?” ).
Die Gesamtunterhaltspflicht des Vaters beträgt also (eigentlich) 291,- Euro + 243,- Euro = 534,- Euro.
Allerdings kann der Vater, der ja nur 1.500,- Euro netto verdient, nur maximal 500,- Euro Unterhalt zahlen. Denn sein Selbstbehalt liegt bei 1.080,- Euro. Er kann folglich nur weniger Unterhalt zahlen, als er “eigentlich” zahlen müsste, mit anderen Worten es liegt ein “Mangelfall” vor (mehr zum Mangelfall erfahren Sie im Kapitel “Der Mangelfall” ).
Es stellt sich nun die Frage: wird der Unterhalt beider Kinder etwas gekürzt, oder bekommt das minderjährige Kind den vollen Unterhalt und das volljährige denjenigen Betrag, der übrig bleibt?
Im ersten Fall würde das minderjährige Kind 268,- Euro bekommen (statt 291,- Euro), das volljährige Kind 232,- Euro (statt 243,- Euro). Im zweiten Fall würde das minderjährige Kind die vollen 291,- Euro bekommen, das volljährige Kind nur 209,- Euro.
Wie das verbleibende Geld aufzuteilen ist, richtet sich nach der Rangfolge der Kinder. Geht ein Kind dem anderen in der Unterhaltsrangfolge vor, so ist dessen voller Unterhalt zuerst zu zahlen. Sind Kinder gleichrangig, so ist ihr Unterhaltsanspruch gleichmäßig zu kürzen.
Gleichrangig sind minderjährige Kinder und so genannte “privilegierte” Volljährige. Das sind volljährige Kinder, die unter 21 Jahre alt sind, noch bei einem Elternteil leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung oder erstmaligen Betrufsausbildung befinden.
Vorrangig sind minderjährige Kinder gegenüber allen anderen volljährigen Kindern, also gegenüber Kindern die älter sind als 21 Jahre oder die Studenten oder Auszubildende sind oder die einen eigenen ausstand haben.
Im Beispielsfall kommt es also darauf an, ob das 18-jährige Kind noch bei seiner Mutter wohnt und die allgemeine Schule besucht bzw. seine Berufsausbildung absolviert. Ist dies der Fall, so sind beide Kinder gleichranging, d.h. der Unterhalt beider Kinder ist anteilig zu kürzen. Wohnt das Kind indes nicht mehr bei seiner Mutter und/oder geht es nicht mehr zur Schule, so geht das minderjährige Kind vor. Dessen Unterhalt ist zunächst in voller Höhe zu leisten, das volljährige Kind muss sich mit demjenigen Betrag begnügen der übrig bleibt.