Was passiert, falls dem Unterhaltsschuldner bei voller Zahlung des Unterhalts weniger als sein Selbstbehalt übrig bleiben würde?

I. In diesem Fall ist zunächst einmal zu prüfen, ob der Selbstbehalt im Einzelfall herabgesetzt werden kann. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Unterhaltsschuldner finanzielle Vorteile dadurch hat, dass er mit einem neuen Partner/Partnerin zusammen wohnt. Näheres dazu lesen Sie im Kapitel Reduzierung des Selbstbehalts .

II. Ist eine Herabsetzung des Selbstbehalts nicht möglich oder bleibt trotzdem noch eine Lücke, so ist zu prüfen, ob der Unterhaltsschuldner seiner Erwerbsobliegenheit nachkommt. Mit anderen Worten: ob er so viel arbeitet, wie es von ihm erwartet werden kann.

Grundsätzlich kann von jedem Unterhaltsschuldner, der gesund ist und noch nicht im Rentenalter, die Ausübung einer Vollzeittätigkeit erwartet werden. Ist er dagegen nicht in Vollzeit erwerbstätig und kann er deshalb nicht den vollen Unterhalt zahlen, so kann man ihm ein fiktives höheres Einkommen aus einer Vollzeittätigkeit unterstellen. Alternativ kann man von ihm erwarten, noch einer Nebentätigkeit nachzugehen. Einzelheiten erfahren Sie im Kapitel Erwerbspflichten im Unterhaltsrecht .

III. Lässt sich der Selbstbehalt weder reduzieren, noch ein fiktives Einkommen wegen einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit ansetzen, so ist für das weitere Vorgehen zu unterscheiden:

  1. Beim Ehegattenunterhalt und beim Unterhalt für volljährige, nicht privilegierte Kinder tritt der so genannte “Mangelfall” ein. In diesem Fall ist der zu zahlende Unterhalt so weit herabzusetzen, bis der Selbstbehalt gewahrt bleibt. Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden, so werden erst einmal die Unterhaltsansprüche derjenigen befriedigt, die im Unterhaltsrang vorgehen. Bei gleichrangigen Unterhaltsbedürftigen (z.B. mehrere volljährige Kinder oder mehrere Ex-Frauen) sind die Unterhaltsansprüche aller Berechtigten um denselben Prozentsatz zu kürzen, so dass der Selbstbehalt wieder gewahrt bleibt. Alle Infos zur Berechnung des Unterhalts im Mangelfall erhalten sie im Kapitel Der Mangelfall im Unterhalt.
  2. Wird beim Unterhalt für minderjährige Kinder oder ihnen gleichgestellte “privilegierte” volljährige Kinder – das sind Kinder bis 21, die noch bei einem Elternteil leben und eine allgemein bildende Schule besuchen – der angemessene Selbstbehalt von 1.650,- Euro unterschritten, so ist zunächst zu prüfen, ob ein anderer Verwander des Kindes den fehlenden Unterhaltsbetrag übernehmen kann. Dabei kann es sich um den anderen (betreuenden) Elternteil handeln oder um Großeltern des Kindes. Verdient der betreuende Elternteil mehr als der eigentlich allein unterhaltspflichtige andere Elternteil, so kann eine Beteiligung des betreuenden Elternteils am Kindsunterhalt in Betracht kommen. Näheres dazu finden Sie in unserem Artikel Höheres Einkommen des betreuenden Elternteils.
    Ist kein anderer leistungsfähiger Verwandter vorhanden, so liegt ein “Mangelfall” vor. In diesem Fall greifen schärfere Anforderungen an die Erwerbstätigkeit, manche Ausgaben sind nur noch eingeschränkt abzugsfähig. Lesen Sie dazu bitte unser Kapitel “Der Mangelfall“.